Zivilprozess

    Zustellung von Schriftstücken in einer anderen Sprache als der Muttersprache

    Jeder, der einen Schriftsatz oder ein Dokument zugestellt bekommt, kann innerhalb von 15 Tagen ab Zustellung die Übersetzung in die jeweils andere Sprache (italienisch oder deutsch) beantragen. Der Antrag muss mittels Gerichtsvollzieher dem Absender des Schriftstücks zugestellt werden  (es wird praktisch ein einfaches Dokument in zwei Kopien ausgefertigt - es hängt davon ab, an wieviele Parteien die Zustellung geht - mit dem mitgeteilt wird, dass das Schriftstück empfangen wurde und die Übersetzung beantragt wird). Die Übersetzung muss in den darauffolgenden Tagen zugestellt werden. Die Kosten gehen dabei allerdings zu Lasten jener Partei, welche die Übersetzung und Zustellung zu besorgen hat.

    Der Antrag auf Übersetzung unterbricht die Fristen; sie beginnen dann wieder ab Zustellung der Übersetzung.Im Falle aussergewöhnlicher Dringlickeit kann das Gericht die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag einer Partei auch während der Fristenunterbrechung genehmigen (zum Beispiel könnte der Richter eine Zwangsvollstreckung genehmigen, auch wenn die Übersetzung noch nicht zugestellt ist; trotzdem kann die Frist für eventuellen Widerspruch erst ab Zustellung der Übersetzung ablaufen)

    Zustellung von Schriftstücken ausserhalb der Provinz Bozen.

    Schriftstücken in deutscher Sprache, die ausserhalb der Provinz Bozen zugestellt werden, muss eine italienische Übersetzung beigelegt werden.

    Klageschrift

    Wer ein Verfahren beginnt, kann die Sprache selbst wählen. Wenn die beklagte Partei im Verfahren die gleiche Sprache wählt, ist der Prozess einsprachig, andernfalls wird er zweisprachig. Die öffentliche Verwaltung muss sich in jedem Fall der Sprache der Gegenpartei anpassen (wenn es allerdings mehrere Parteien gibt, die verschiedene Sprachen benützen, ist es noch nicht klar, ob die öffentliche Verwaltung gleichzeitig beide Sprachen benützen muss).

    Einsprachiger Prozess

    Theorethisch müsste im einsprachigen Prozess alles in einer Sprache abgewickelt werden; trotzdem gibt es Ausnahmen. Die Zeugen müssen nämlich in der Sprache angehört werden, die sie selbst vorziehen, und auch die Protokollierung ihrer Aussagen erfolgt in dieser Sprache. Die Partei (persönlich) oder ihr besonders Bevollmächtigter (auch der Rechtsanwalt, insofern das Mandat ihm diese Befugnis ausdrücklich zugesteht) können die Übersetzung beantragen, aber nur bis zum Ende der Verhandlung. Das bedeutet, dass Anträge zur Übersetzung, die nach der Verhandlung eingehen, zu Lasten des Antragstellers gehen. Es muss ausserdem bedacht werden, dass die Übersetzung nicht simultan erfolgt und Wochen vergehen, bevor man sie vom Gericht erhält; das zieht das Risiko mit sich, dass man nicht weiss, was ein Zeuge gesagt hat, bevor man die Übersetzung erhält. Auch wenn ein Gutachten angeordnet wird, kann der Gutachter die Sprache benützen, die er selbst aussucht; die Übersetzung kann von der Partei (persönlich) oder ihrem besonders Bevollmächtigten (siehe oben) beantragt werden, aber innerhalb von 30 Tagen ab Mitteilung ber die Hinterlegung des Gutachtens.

    Zweisprachiger Prozess

    Wenn zwei Parteien in einem Prozess verschiedene Sprachen benützen (italienisch oder deutsch), ist der Prozess zweisprachig. Jede Partei benützt die eigene Sprache, ohne zur Übersetzung verpflichtet zu sein. In jeder Verhandlung wird ein Protokoll geführt: jede Parteien protokolliert also in der eigenen Sprache, die Gegenpartei bzw. deren Bevollmächtigter kann die zweisprachige Protokollierung beantragen: in diesem Fall muss die Übersetzung unmittelbar erfolgen. Wenn der Antrag dagegen nicht in der Verhandlung gestellt wird, muss jeweils der Interessierte für die Spesen aufkommen. Alle Verfügungen des Gerichts müssen zweisprachig erfolgen, ausser es liegt ein Verzicht der interessierten Partei vor.

    Schriftsätze und Dokumente werden von Amts wegen nur übersetzt, wenn folgende Bedingungen vorliegen:

    1) dass der Antragsteller nicht in der Provinz wohnhaft ist bzw. ihren Sitz hat;

    2) dass der Antrag (an den Richter) innerhalb von 30 Tagen ab Mitteilung oder Hinterlegung erfolgt

    Der Richter ist verpflichtet, alle Schriftsätze übersetzen zu lassen; er kann dagegen jene Schriftstücke ausschliesen, die er für offensichtlich irrelevant hält (trotzdem ist der Richter frei, diese, zunächst von der Übersetzung ausgenommene Schriftstücke für die spätere Entscheidung heranzuziehen). Der zweisprachige Prozess wird zum einsprachigen Prozess, wenn alle Parteien erklären, die selbe Sprache zu wählen. Die Anfrage (es handelt sich hierbei um eine der wichtigsten Neuerungen des D.P.R. 124/05) kann in jeder Instanz und jedem Moment des Verfahrens gemacht werden (allerdings wird das Verfahren am Kassationsgerichtshof immer in italienischer Sprache abgehalten) und ist unwiderruflich.

    Sanktionen

    Die Verletzung der Regeln hinsichtlich der Sprache im Zivilprozess ist Grund kann die Nichtigkeit aller Schriftstücke, die in der jeweils anderen Sprache verfasst wurden, nach sich ziehen. Es handelt sich um eine schwerwiegende Sanktion, die dem Zivilprozess völlig unbekannt ist. Die Vielzahl aller im Zivilverfahren enstandenen Nichtigkeiten ist im nachhinein reparabel. Es ist hierbei sogar vorgesehen, dass die Nichtigkeit von demjenigen, der dabei mitgewirkt hat, sie herbeizuführen, eingewendet werden kann. Es ist also möglich, dass eine Partei dem Gebrauch einer Sprache zustimmt, obwohl das in jenem Fall oder in jener Form nicht erlaubt ist, und dann gegen das Urteil Berufung einlegt, indem er die Nichtigkeit der Akte einwendet. Man muss also besonderes Augenmerk auf die genaue Befolgung  der Vorschriften legen.

    Vertiefungen

    Diese Notizen haben verbreitenden Charakter. Für diejenigen, welche das Argument vertiefen möchten, wird auf die Publikation von Francesco Coran „Processo penale e Diritto alla Lingua in A.A. – Südtirol“ in AA.VV. „Processo penale, lingua e Unione Europea“ CEDAM 2013 verwiesen.“ (http://shop.wki.it/)


    Letzte Änderung

    11 November 2022, 12:28